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Juli 2023

Diagnostik und Therapie der Fokal-Segmentalen Glomerulosklerose – 2023

Autor:innen

  • Philipp Gauckler
  • Emanuel Zitt
  • Heinz Regele
  • Kathrin Eller
  • Marcus D. Säemann
  • Karl Lhotta
  • Irmgard Neumann
  • Michael Rudnicki
  • Balazs Odler
  • Andreas Kronbichler
  • Johannes Zschocke
  • Martin Windpessl

Zusammenfassung

Der  histopathologische  Begriff fokal-segmentale    Glomerulosklerose   umfasst verschiedene   Krankheitsprozesse   mit   dem   gemeinsamen Kennzeichen einer großen Proteinurie und dem namensgebenden  glomerulären  Schädigungsmuster in  der  Lichtmikroskopie. Eine  Einteilung  in  primäre, sekundäre  und  genetische  Formen  anhand  der  zugrunde liegenden  Pathogenese  ist  daher  von  großer Relevanz. Die exakte Pathogenese der primären fokal- segmentalen  Glomerulosklerose ist ungeklärt, allerdings  wird  –  analog  zur  Minimal-change  Glomerulopathie eine autoimmun-vermittelte  Schädigung der  Podozyten  angenommen.  Angesichts  des  ähnlichen  Pathomechanismus findet  zunehmend die  verneinende Bezeichnung „Podozytopathie“ Verwendung. Supportive Therapiemaßnahmen zum Erhalt der Nierenfunktion sind bei allen Formen angezeigt. Demgegenüber sollten immunsuppressive Therapien nur bei der  primären  fokal-segmentalen  Glomerulosklerose zum Einsatz kommen. Komplizierte  Verläufe  umfas- sen  steroid-abhängige,  steroid-resistente  und  häufig relapsierende Formen und erfordern den Einsatz alternativer  Therapiestrategien. Die Österreichische Gesellschaft für Nephrologie (ÖGN)  stellt  hier  einen gemeinsamen  Konsens  darüber  vor,  wie  erwachsene PatientInnen mit  fokal-segmentaler  Glomerulosklerose am besten diagnostiziert und behandelt werden können.

Summary

The histopathological term focal-segmen- tal glomerulosclerosis comprises different pathogenic processes with the unifying features of a high protein- uria  and  the  name-giving  glomerular  lesion  pattern seen  on  light  microscopy.   A  differentiation  accord- ing  to  the  underlying  cause  into  primary,  secondary and   genetic forms is therefore of utmost   importance. The  pathogenesis  of  primary  focal-segmen- tal   glomerulosclerosis remains unknown but, like minimal-change  disease,  an  autoimmune-mediated process   leading   to podocyte   damage is assumed. Consequently,  the  unifying  term  “podocytopathy”  is increasingly  being used for both entities. Supportive treatment  measures  to  preserve  kidney  function  are important  in  all  subtypes.   In  contrast,  immunosup- pressive treatment is only indicated in primary focal- segmental  glomerulosclerosis. Steroid-dependence, steroid-resistance and frequently relapsing disease of- ten complicate  disease management  and necessitate alternative  treatment  strategies. Here,  the  Austrian Society of Nephrology (ÖGN) provides consensus recommendations on how to best diagnose and manage patients with focal-segmental glomerulosclerosis.

Einleitung und Epidemiologie

Der histopathologische Begriff fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS) umfasst verschiedene Nephropathien  mit  dem  gemeinsamen  Kennzeichen  einer großen Proteinurie (meist im nephrotischen Bereich) und   dem   namensgebenden   glomerulären   Schädigungsmuster  in  der  Lichtmikroskopie.  Dieses  ist  jedoch  unspezifisch  und  kann  durch  diverse  Prozesse ausgelöst werden. Eine Einteilung in primäre, sekundäre und genetische Formen anhand der zugrundelie- genden Pathogenese ist daher auch prognostisch und therapeutisch von großer Relevanz. Bei der primären FSGS  wird  eine  autoimmune  Genese  angenommen. Der  Begriff  sekundäre  FSGS  beschreibt  die  histopathologische  Endstrecke  eines  Schädigungsprozesses der  Podozyten  infolge  zahlreicher  unterschiedlicher Mechanismen, wie die Virus-assoziierte FSGS, die Medikamenten-induzierte  FSGS  und  die  (mal)adaptive FSGS. Letztere ist wohl die häufigste Form, verursacht durch eine chronische Überlastung eigentlich intakter Nephrone,  entweder  durch  eine  reduzierte  absolute Anzahl (chronische Glomerulopathie, Frühgeburtlich- keit,  (funktionelle) Einnierigkeit ...) oder  durch  eine anhaltende Überbeanspruchung sonst gesunder Nie- ren (z. B. Diabetes mellitus und Adipositas) [1]. Bereits die  klinische  Manifestation  ermöglicht  oft  eine  erste Unterscheidung, da beim Fehlen eines nephrotischen Syndroms im engeren Sinn (Fehlen von Ödemen, normales  oder  nur  leicht  erniedrigtes  Serum  Albumin) eine sekundäre Ursache einer FSGS wahrscheinlicher ist. Ob  die  primäre  FSGS  als  solche  ein  eigenständiges  Krankheitsbild  darstellt  oder  besser  eine  pathogenetisch-definierte   Bezeichnung   als   „primäre Podozytopathie“   oder  „Autoimmunpodozytopathie“ gemeinsam  mit  der  Minimal-Change  Glomerulopathie  (MCD)  geprägt  werden  sollte,  wird  fortwährend diskutiert  und  ein  Paradigmenwechsel  zeichnet  sich ab (Verweis auf die ÖGN-Leitlinie: MCGN) [2]. Derzeit folgen  maßgebliche  Guidelines  allerdings  weiterhin der historischen Einteilung.

Die Häufigkeit der FSGS variiert geographisch stark und findet  sich in Europa in etwa 9 % aller durchgeführten Nierenbiopsien bei Erwachsenen [3]. Die primäre  FSGS  ist  die  zweithäufigste  Ursache  eines  nephrotischen Syndroms im Erwachsenenalter. Supportive   Maßnahmen   zur   Reduktion   des   intraglomerulären  Drucks  und  der  Proteinurie  haben einen  erwiesenen  prognostischen  Benefit  zum  Erhalt  der  Nierenfunktion  bei  allen  Formen  der  FSGS. Demgegenüber   kommen   immunsuppressive   Maßnahmen  wie  Glukokortikoide  (GC)  und  Calcineurin- Inhibitoren (CNI) bei der primären FSGS zur initialen Therapie  zum  Einsatz  und  sollten  bei  sekundären und  genetischen  Formen  vermieden  werden.  Komplizierte  Verläufe  umfassen  steroid-abhängige  (SA), steroid-resistente (SR) und häufig relapsierende (HR) Formen.   Diese   erfordern   den   Einsatz   alternativer, steroidsparender   Immunsuppressiva.   Insbesondere bei  SR-FSGS,  frühem  Erkrankungsalter  und  familiärer  Belastung  müssen  genetische  Ursachen  in  der Abklärung  berücksichtigt  werden.  Das  Risiko  einer progressiven   Nierenfunktionsverschlechterung   und terminaler  Niereninsuffizienz  ist  abhängig  von  der zugrundeliegenden  Ursache  und   dem  Therapieansprechen. Eine Rekurrenz nach Nierentransplantation betrifft vor allem die primäre FSGS und ist therapeutisch oftmals komplex.

Pathogenese

Die  Schädigung  des  Podozyten (Podozytopathie)  ist bei der Krankheitsentstehung aller FSGS-Formen das zentrale  und  gemeinsame  Element.  Podozyten  sind post-mitotische,  terminal  differenzierte  Epithelzellen und bilden durch ihre vielzähligen Fußfortsätze, welche  maschenartig  ineinandergreifen  und  durch  die sogenannte Schlitzmembran  miteinander verbunden sind,  einen  wesentlichen  Bestandteil  des  glomerulären Filters. Eine Podozytenschädigung führt als morphologisch frühestes Korrelat zur Abflachung der Fußfortsätze  mit  Verlust  der  Schlitzmembranen,  was  in der Regel mit einer schweren Proteinurie einhergeht.

Die Podozytenschädigung  kann  durch  einen  alleinigen  Auslöser,  beispielsweise  bei  monogenetischen Formen (siehe Abschnitt Genetische Abklärung), oder durch  das  Zusammenspiel  mehrerer  Risikofaktoren, entstehen.

Bei der primären FSGS wird als Initialereignis von einer   immunmediierten,   direkten   Podozytenschädigung  ausgegangen.  Hierfür  spricht  vor  allem  das Ansprechen auf immunsuppressive Maßnahmen, wobei auch direkte podozytenstabilisierende Effekte von GC,  CNI  und  Rituximab  beschrieben  wurden  und der  Beweis  einer  zugrundeliegenden  Autoimmunität bis  zuletzt  ausständig  ist  [2,  4,  5].  Einige  Beobachtungen, wie beispielsweise eine unmittelbare und oft fulminante   Rekurrenz  der  Grunderkrankung  direkt nach Nierentransplantation sowie das therapeutische Ansprechen  auf  Plasmaaustausch,  sprechen  für  das Vorliegen  eines  zirkulierenden  Permeabilitätsfaktors, beispielsweise eines Zytokins [6]. Über die Jahre wurden  verschiedene  potenzielle  Permeabilitätsfaktoren postuliert  und  untersucht,  jedoch  konnte  bis  dato kein  auslösendes  Molekül  bestätigt  werden  [7].  Der jüngste  Nachweis  von  krankheitsauslösenden  anti-Nephrin Autoantikörpern bei PatientInnen mit  MCD (Verweis  auf  die  ÖGN-Leitlinie:  MCGN)  hat  auch  Relevanz  für  unser  Verständnis  der  FSGS.  So  konnte dieselbe  Arbeitsgruppe  am  Fallbeispiel  einer  FSGS- Patientin ursächliche anti-Nephrin Autoantikörper im Rahmen  einer  frühen  FSGS-Rekurrenz  nach  Nierentransplantation identifizieren [8].

Eine  Vielzahl  sekundärer  Krankheitsauslöser  wird in  der  Literatur  beschrieben und ist in  Tab.  1 dargestellt.

Im  Verlauf  der  Erkrankung  kommt  es  zur  kompensatorischen Hypertrophie der Podozyten und aufgrund  der  zunehmenden  Scherkräfte  konsekutiv  zur Ablösung von der Basalmembran (Podozytenverlust). Ob   eine  Podozytenschädigung  zum   Krankheitsbild einer  FSGS  führt,  hängt  von  mehreren  Faktoren  ab. Kann  die  auslösende  Ursache  gestoppt  werden  und funktionieren  die  Reparaturmechanismen,  kann  es zur  Ausheilung  kommen.  Parietale  Epithelzellen  der Bowman-Kapsel stellen einen begrenzten Pool podo- zytärer Vorläuferzellen dar, aus welchem der Podozy- tenverlust teilweise ersetzt werden kann. Dieses Prinzip ist gültig für alle primären Podozytopathien. Bleibt die  schädigende  Ursache  jedoch  bestehen  und/oder persistieren  weitere  maladaptive  Prozesse,  die  eine Regeneration verhindern, kommt es zur glomerulären Vernarbung und FSGS. Mögliche maladaptive Prozesse  sind  beispielsweise  eine  unkontrollierte  schwere Proteinurie  oder  ein  anhaltend  hoher  intra glomerulärer Druck (mechanischer Stress), die eine adäquate Regeneration aus den Vorläuferzellen verhindern [2].

 

Diagnostik und Pathologie

Die  Basisdiagnostik  zur  Abklärung  einer  Proteinurie im  nephrotischen  Bereich  erfolgt  analog  zur  MCD (Verweis  auf  die  ÖGN-Leitlinie:  MCGN).  Explizit  sei noch  auf  die  seltene,  insbesondere  im  höheren  Lebensalter  aber  relevante  Assoziation  eines  histologischen  FSGS-Musters  mit  monoklonalen Gammopathien hingewiesen, daher sollten neben einer Elektrophorese  auch  eine  Immunfixation  erfolgen  sowie freie Leichtketten bestimmt werden [13].

Die differentialdiagnostische Abklärung einer FSGS kann ausschließlich durch histologisch-klinische Korrelation  gestellt  werden.  Es  ist  essentiell,  segmentale Veränderungen,  z. B. nach  Glomerulonephritis oder thrombotischer Mikroangiopathie,  die  nicht  auf  einer  podozytären  Störung  beruhen,  diagnostisch  abzugrenzen, was in den meisten Fällen durch das Fehlen  einer  signifikanten  Proteinurie  leicht  gelingt.  Als nächster Schritt ist die Differenzierung zwischen primären,  sekundären  und  genetischen  Formen  absolut  zentral  und  stellt  oftmals  eine  große  Herausforderung  dar.  Klinische  und histologische  Charakteristika, sowie das therapeutische Ansprechen helfen bereits bei  der Unterscheidung (siehe Tab.  2) und wer- den in den folgenden Kapiteln näher betrachtet.  Die primäre FSGS ist eine Ausschlussdiagnose, sodass zunächst alle potenziellen sekundären Ursachen (Medikamente,  Infektionen, maladaptive  Formen)  geprüft werden müssen. Wann eine genetische Abklärung erfolgen sollte, wird separat in Abschnitt Genetische Abklärung besprochen.

Nicht selten muss die initiale Verdachtsdiagnose im Verlauf,  bspw.  nach  Therapieansprechen reevaluiert werden (siehe Algorithmus/Therapie).

Pathologie

Das  namensgebende  lichtmikroskopische  Muster  ist charakterisiert durch Vernarbungen (Sklerosierungen) von  Anteilen,  aber  nicht  der  gesamten  glomerulären Kapillarschlinge  (segmental;  <50 %),  mancher,  aber nicht  aller  Glomeruli  (fokal;  <50 %).  Zur  Unterscheidung  von  der  MCD,  der  wichtigsten  Differenzialdia- gnose, ist eine ausreichend große Gewebeprobe not- wendig  (mindestens  10  Glomeruli!), dennoch  ist  das Risiko  einzelne  sklerosierte  Glomeruli  zu  verpassen gegeben  („sampling  error“)  [9].  Übrige  lichtmikroskopische   und   elektronenmikroskopische   Kriterien unterscheiden  sich  zwischen  den  beiden  Entitäten nicht (Verweis auf die ÖGN-Leitlinie: MCGN).

Die Columbia-Klassifikation  der FSGS wurde  2004 publiziert und unterscheidet anhand des lichtmikroskopischen Sklerosierungsmusters fünf Varianten (tip lesion,  perihilär,  zellulär,  kollapsierend  und  „nicht weiter  spezifiziert“).  Diese  Kriterien  weisen  jedoch eine  unzureichende  Korrelation  mit  dem  klinischen Phänotyp  und  der  zugrundeliegenden  Pathophysiologie  auf,  sodass  in  der  aktuellen  KDIGO  Guideline eine  Änderung  der  Nomenklatur  (siehe  Tab.  2)  vorgeschlagen   wird   [10].   Gewisse  lichtmikroskopische (Sklerosierungsmustern und Ausmaß)   und   elektronenmikroskopische   Merkmale   wie   die   Podozyten-FPE können bei der Unterscheidung zwischen unterschiedlichen FSGS-Formen zwar hilfreich sein, haben für  sich  allein  jedoch   unzureichenden  prädiktiven Wert (siehe Tab. 2). Eine nur segmentale FPE (<50 %) ist sehr untypisch für eine primäre FSGS und sollte an sekundäre oder genetische Formen denken lassen [1, 14].  Umgekehrt  schließt  das  Bild  einer  diffusen  FPE (>80 %)  sekundäre  und  genetische  Ursachen  nicht vollständig aus [1, 10]. Gelegentlich zeigen sich lichtmikroskopisch  indirekte  Hinweise  für  die  zugrunde liegende Ursache einer sekundären FSGS, wie z. B. der Nephronverlust durch  schwere  Arteriosklerose,  eine andere  Glomerulopathie  oder  möglicherweise  auch eine interstitielle Nephritis. Beim Bild der „collapsing“ Variante muss an bestimmte exogene Auslöser (bspw. HIV,  COVID-19,  SLE,  Pamidronat)  gedacht  werden [15–17].

Klinik

Bei  einer  FSGS  ist  in  Abhängigkeit  der  zugrunde liegenden  Ursache  ein  nephrotisches  Syndrom  zwar häufig,  aber  nicht  obligat.  Bei  der  primären  Form manifestiert sich die Erkrankung oft abrupt und (zwischen  etwa  50  und  90 %)  [1]  mit  dem  Vollbild  eines nephrotischen Syndroms, während  Personen mit  sekundärer   FSGS   oft   trotz   großer   Proteinurie   keine vergleichbar   ausgeprägten   Ödeme   aufweisen,   und das Serum-Albumin in der Regel nicht vermindert ist. Eine  Mikrohämaturie  ist  bei  allen  Formen  nicht  ungewöhnlich.  Das Risiko  für  venöse Thrombembolien ist auch bei der FSGS erhöht.

Neben  einer  sorgfältigen  Medikamentenanamne- se sollten etwaige Frühgeburtlichkeit sowie relevante urologische Vorerkrankungen (unilaterale Nierenagenesie,  vesikoureteraler  Reflux   (VUR)  ...)  erhoben werden.   Phänotypische   Auffälligkeiten   (Hypakusis; Augen-,  Haut-  und  Bindegewebspathologien;  Polydaktylie;  unklare,  prämature  Kardiomyopathien  ...) sollten genau charakterisiert und durch eine detaillierte Familienanamnese (Stammbaum) ergänzt werden, um gegebenenfalls eine gezielte molekulargenetische Analyse  veranlassen  zu  können  (siehe  Abschnitt  Genetische Abklärung).

Prognose

Das Ausmaß der Proteinurie zum Zeitpunkt der Diagnosestellung  und  im  weiteren  Verlauf  das  Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie stellen die zwei  bedeutendsten   Prognoseparameter  dar.   Während beim Erreichen einer kompletten Remission nur etwa 10 % der PatientInnen nach 10 Jahren eine dialysepflichtige Nierenerkrankung erleidet, tritt diese bei Nichtansprechen in mehr als der Hälfte aller Fälle ein [18, 19]. Die Proteinurie-Reduktion kann als prognosebestimmender  Surrogatparameter  für  das  Therapieansprechen  herangezogen  werden  und  korreliert invers mit dem künftigen Nierenfunktionsverlust [20].

 

Therapie

Ähnlich wie bei der MCD fehlen auch bei der primären FSGS bei Erwachsenen randomisiert kontrollierte Studien  als  Evidenzbasis  für  die  Therapieplanung.  Die Evidenz  ist  aus Beobachtungsstudien  abgeleitet  bzw. aus  pädiatrischen  Untersuchungen  extrapoliert.  Erschwerend   kommt   hinzu,   dass   in   diesen   Studien oftmals  primäre,  sekundäre  und  genetische  FSGS-Formen undifferenziert als eine Kohorte abgeschlossen wurden. Bei Letzteren ist eine immunsuppressive Therapie  nicht  indiziert,  in  diesen  Fällen  steht  die Supportivtherapie   im   Mittelpunkt   der   therapeutischen Überlegungen (siehe unten).

Ein möglicher Algorithmus ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1 Algorithmus zur Behandlung der FSGS. (FSGS fokal-segmentale Glomerulosklerose, FPE Podozytenfußfortsatz-Abflachung,
GC Glukokortikoide, CR komplette Remission, PR partielle Remission)

Immunsuppressive Therapie der primären FSGS 

Nur  die  primäre  FSGS  mit  nephrotischem  Syndrom qualifiziert sich für eine immunsuppressive Therapie. Bei  einer  geringen  Spontanremissionsrate  wird  eine immunsuppressive   Therapie   aufgrund   der   mit   einer Therapie-induzierten Remission einhergehenden renalen Prognoseverbesserung empfohlen [19].

Das therapeutische Ansprechen  wird nach  folgenden Kriterien beurteilt (Tab. 3).

In  Analogie  zur  MCD  und  gemäß  den  KDIGO- Leitlinien  empfehlen  wir  die  Erstmanifestation  einer primären FSGS mit GC zu behandeln. Am gebräuchlichsten sind Methylprednisolon   und   Prednisolon (4 mg Methylprednisolon entsprechen 5 mg Prednisolon).

  •  Umrechnung  Prednisolon  zu  Methylprednisolon: Prednisolondosis: 5 × 4
  •  Umrechnung  Methylprednisolon  zu  Prednisolon: Methylprednisolondosis: 4 × 5
  • Prednisolon in einer Tagesdosis von 1 mg/kg/d (Maximaldosis 80 mg/d). Die Einnahme sollte morgens zwischen 7 und 8 Uhr als Einzelgabe erfolgen. Das alternative  alternierende  Schema   mit   2 mg/kg/d (Maximaldosis  120 mg/d  jeden  2.  Tag)  ist  in  Österreich  nicht  gebräuchlich.  Aufgrund  der  ödem- bedingten passageren Gewichtszunahme sollte dabei das Körpergewicht vor Krankheitsmanifestation als Ausgangswert herangezogen werden.
  • Die Mindestdauer dieser GC-Hochdosistherapie beträgt vier Wochen bis zum Erreichen einer CR (nach KDIGO), sollte aber maximal 16 Wochen fortgeführt werden.
  • In Analogie zur MCD sehen wir jedoch eine derartig lange Hochdosis-GC Therapie bis zu 16 Wochen, die mit  erheblicher  Toxizität  vergesellschaftet  ist,  kritisch.  Bei ausbleibender  Remission oder  Auftreten von  therapieassoziierten  Nebenwirkungen  sollten schon frühzeitig alternative Behandlungsstrategien (siehe unten) in Erwägung gezogen werden.
  • Nach  Erreichen  einer  CR  soll  die  GC-Therapie  in unveränderter  Dosierung  noch  für  zwei  weitere Wochen  fortgeführt  und  danach  –  bei  anhaltendem Response – schrittweise dosisreduziert werden („Tapering“).
  •  Bei  Ausbleiben  einer  CR  aber  Erreichen  einer  PR innerhalb  von  acht  Wochen,  empfehlen  wir  das Fortsetzen der Steroidtherapie in modifizierter Dosis (siehe rechter Tapering-Schenkel; MCD-Kapitel, Abb. 1).
  • Als  mögliches  Dosisreduktionsschema  empfehlen wir die im MCD-Kapitel (Abb. 1) dargestellte Vorgehensweise.
  • Ist nach acht Wochen Hochdosis-GC Therapie kein Ansprechen  erkennbar,  ist  ein  Behandlungserfolg durch eine fortgesetzte GC-Monotherapie im Hochdosisbereich   unwahrscheinlich,   sodass   wir   hier frühzeitig  alternative  Behandlungsmethoden,  insbesondere den Einsatz von CNI befürworten.
  •  Als Gesamtdauer der GC-Behandlung werden 24 Wochen empfohlen.

Definitionsgemäß  wird  erst  beim  Ausbleiben  eines Ansprechens (CR oder PR) nach 16 Wochen Therapiedauer mit Hochdosis GC-Therapie von einer steroid- resistenten primären FSGS (SR-FSGS) gesprochen. Eine derartige lange Hochdosis-Steroidexposition sollte unseres Erachtens jedoch vermieden werden. Kommt es  zum  Rezidiv  während  des  GC-Taperings,  oder  innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung der GC- Therapie,  spricht  man  von  steroidabhängiger  FSGS (SA  FSGS).  Ein  Rezidiv  (oder  Relaps)  definiert  sich durch eine Proteinurie >3,5 g/Tag oder >3,5 g/g Kreatinin nach  zuvor erreichter Remission. Bei zwei oder mehr  Rezidiven  innerhalb  von  sechs  Monaten  oder >vier Rezidiven pro Jahr wird von häufig relapsierender (HR) FSGS gesprochen.

Für PatientInnen mit relativer oder absoluter Kontraindikation gegenüber einer GC-Therapie oder GC- Unverträglichkeit   wird   eine   CNI-Therapie   als   Initialtherapie   empfohlen.   Dabei   können   beide   CNI, Tacrolimus (TAC) und Cyclosporin A (CsA), eingesetzt werden.   Rituximab   (RTX)   stellt   eine   mögliche   second-line  Alternativtherapie  bei Kontraindikationen/ Unverträglichkeit  oder  limitierender  Nebenwirkung der CNI dar. Diese Therapieoptionen werden auch für die SA-FSGS als Steroidersatz sowie bei der SR-FSGS empfohlen.

Die Auswahl erfolgt nach lokaler Erfahrung, Begleiterkrankungen sowie PatientInnenwunsch.

Mögliche Schemata sind:

  • TAC 0,05–0,1 mg/kg/d als Einmaldosis in retardierter Formulierung oder unretardiert in zwei geteilten Tagesdosen  in  12-Stundenabstand;  möglicher  Talspiegel: 5–10 ng/ml [10, 21]. Begleitend kann auch eine  GC-Therapie  in  niedrigerer  Dosis (0,5 mg/kg) mit Tapering ab Woche 9 gegeben werden [22].
  • CsA 3–5 mg/kg/d in zwei geteilten Tagesdosen in 12- Stundenabstand; Talspiegel: 100–175 ng/ml. Begleitend kann  auch  eine Niedrigdosis-GC-Therapie in Anlehnung an die Originalarbeit zur CsA-Therapie bei SR-FSGS von Cattran et al. [23] mit 0,15 mg/kg (maximal 15 mg/d) für sechs Monate gegeben werden.

Beide CNI sollten zumindest für 4–6 Monate unter Erreichen adäquater Talspiegel angewendet werden, um die Effektivität dieser Therapie zu beurteilen, und bevor im Falle eines fehlenden Ansprechens von einer CNI-Resistenz gesprochen wird. Die CNI-Therapie sollte im Falle eines klinischen Ansprechens (CR oder PR) für mindestens ein Jahr in der zur Remission führenden Dosis fortgeführt und nachfolgend langsam und schrittweise über 6 bis 12 Monate dosisreduziert werden. Auch Änderungen in der glomerulären Filtrationsrate spielen für die Dosisfindung eine Rolle; bei steigendem Kreatinin (>30 % von Baseline) wird eine Dosisreduktion des CNI empfohlen, bei einer eGFR <30 ml/min/1,73 m2  ist ein Absetzen der CNI-Therapie zu diskutieren [10]. Trotz guter Effektivität in der Remissionsinduktion bei PatientInnen mit SR-FSGS kann es häufig (bei 40–70 % innerhalb eines Jahres) zu einem Rezidiv nach dem Absetzen kommen [23, 24].

TAC  zeichnet  sich  durch  ein  im  Vergleich  zu  CsA günstigeres  Nebenwirkungsprofil  aus  und  wird  deshalb  heute  allgemein  bevorzugt.  Beide  Substanzen zeigen jedoch z. T. unterschiedliche Nebenwirkungen, sodass   individualisiert   ein   Wechsel   angezeigt   sein kann.

Als  Zweitlinientherapie  stehen  folgende  Optionen zur Verfügung:

  • Rituximab  kann  als  Therapieoption  bei  CNI-Abhängigkeit mit ungünstigem Nebenwirkungsprofil, CNI-Resistenz  oder  FR-FSGS  nach  CNI-Absetzen gewählt werden [25]. Ein einheitliches Dosisregime ist nicht etabliert.

Wird eine anti-CD20-Therapie noch im manifesten nephrotischen Syndrom verabreicht, kann der renale Verlust des Wirkstoffs eine frühere neuerliche Ga- be  erforderlich  machen.  Aus  diesen  Gründen  halten wir die RTX-Dosierung aus dem TURING-Proto- koll (2 × 1 g im Abstand von zwei Wochen) für zweckmäßig (Details zu einer Therapie mit RTX: Separater Beitrag „Allgemeine Empfehlungen für die Behandlung glomerulärer Erkrankungen“). Für die weitere Dosierung kann in Anlehnung an andere Indikatio- nen entweder eine intervallfixierte  (z. B. alle sechs Monate) oder klinisch gesteuerte (Anstieg der Proteinurie ± CD19+ Zellzahl) Dosierung (jeweils Einzel- gaben à 500 oder 1000 mg) für zwei Jahre in Betracht gezogen werden.

Die beschriebenen Therapieoptionen sind zur besseren  Übersicht  als  Therapiealgorithmus  in  Abb.  2  zusammengefasst.

Abb. 2 Therapiealgorithmus für die FSGS. (CR komplette
Remission, FSGS fokal-segmentale Glomerulosklerose,
GC Glukokortikoide, KI Kontraindikation, CNI Calcineurin-Inhibitoren,
TAC Tacrolimus, CsA Cyclosporin A, FACS Durchflusszytometrie
(Fluorescence Activated Cell Sorting))

Supportivtherapie

Die unten angeführten Komponenten der Supportivtherapie sollten bei allen PatientInnen mit FSGS optimiert werden, bei sekundärer FSGS stehen sie neben einer möglichen Kausaltherapie des ursächlichen Auslösers  im  Mittelpunkt.  Diese  Supportivmaßnahmen umfassen:

  1. Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems (RASi) in maximal tolerierter Dosierung.
  2. Antihypertensive  Therapie  mit  systolischem  Zielblutdruck <120 mmHg, sofern verträglich.
  3. Absolute Nikotinkarenz
  4. Anstreben von Normalgewicht
  5. Kochsalzbeschränkung
  6. Aus pathophysiologischen  Überlegungen  und  basierend auf ersten Daten der DAPA-CKD-Subanalyse zeichnet sich auch für die sekundäre FSGS eine Indikation  für  die  SGLT2-Hemmer  zusätzlich  zur Basistherapie mit einem RASi ab [26]. Weitere Daten sind aus der EMPA-KIDNEY Studie zu erwarten.

Genetische Abklärung

Seit   den   1990er-Jahren   erlangen   hereditäre   Ursachen  eines  FSGS-Läsionsmusters  zunehmende  Aufmerksamkeit.  Mittlerweile  sind  Mutationen  in  über 60 Genen bekannt, die mit diesem histologischen Bild vergesellschaftet sind, die Liste wächst laufend [1, 27].

Die Häufigkeit einer erblichen Ursache einer FSGS variiert in Abhängigkeit vom Manifestationsalter stark [2]. Während einem kongenitalen nephrotischen Syn- drom  in  den  meisten  Fällen  eine  hereditäre  Genese zugrunde  liegt,  findet  man  im  Jugend-  und  Erwachsenenalter  nur  noch  in  10–20 %  der  Fälle  pathogene Varianten.  Bei  bestimmten  klinischen Merkmalen ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, eine FSGS nachzuweisen  [28].  Die  entsprechenden  Gene  kodieren  größtenteils  für  Proteine,  welche  für  eine  Vielzahl  unterschiedlicher  Podozytenfunktionen  relevant  sind,  darunter Bestandteile der Schlitzmembran,  Kernprotei- ne,  Transkriptionsfaktoren  und  tRNA-modifizierende Proteine, Zytoskelettproteine, Bestandteile der glomerulären Basalmembran, Proteine der mitochondrialen Coenzym Q10-Biosynthese sowie lysosomale und andere  metabolische  Proteine  [2].  Die  Vererbung  ist  in den meisten Fällen autosomal-rezessiv, mitunter aber auch autosomal-dominant oder X-chromosomal.

Der  Großteil  der  kongenitalen  Formen  eines  nephrotischen Syndroms wird  durch  Mutationen  in  ei- ner Handvoll Gene verursacht, am häufigsten NPHS1 (Nephrin),  NPHS2  (Podocin)  und  WT1  (Wilms  tumor  1).  Im  Erwachsenenalter  stehen  Mutationen  im Typ  4-Kollagen-Gen  COL4A  (auch  Ursache  des  Alport-Syndroms)   im   Vordergrund.   Bei   PatientInnen afrikanischer Herkunft sollten zusätzlich immer zwei Risikoallele  im  APOL1-Gen  (kodiert  für  Apolipoprotein  L1)  getestet  werden,  die  die  Wahrscheinlichkeit für  das  Auftreten  einer  FSGS  in  Kombination  mit anderen   Risikofaktoren   (z. B.   Hypertonie)   deutlich erhöhen.  Insgesamt gibt  es  aber  beträchtliche  Überlappungen über die Altersgruppen. Genetische FSGS- Formen,  die  im  Kindesalter  auftreten,  werden  häufig  autosomal-rezessiv  vererbt,  die  genetische  FSGS des   Erwachsenenalters  nicht   selten  autosomal- dominant.  Phänomene wie inkomplette  Penetranz und modifizierende  Gene  erschweren  die  Interpretation der Bedeutung genetischer Varianten in einer Familie zusätzlich.  Zu  berücksichtigen  ist  speziell  auch  die Art der Mutation (z. B. Funktionsverlust vs. dominant negativ), welche erheblichen Einfluss auf den renalen Phänotyp,  den  Zeitpunkt  des  Auftretens  der  Erkrankung oder den Erbgang haben kann. Nicht zuletzt sind syndromale Formen der Nephropathie in Kombination mit anderen Organmanifestationen von nicht-syndromalen  Formen  zu  unterscheiden.  Es  kann  davon ausgegangen  werden,  dass  die  Prävalenz  primär  genetischer  FSGS-Formen  im  Erwachsenenalter  unter- schätzt wird, zumal die klinischen und histologischen Phänotypen  in  der  Regel  weder  von  einer  primären noch  von  einer  sekundären  FSGS  zu  unterscheiden sind.  Auch  das  Ausmaß  der  Fußfortsatzabflachung ist  bei  den  genetischen  Formen  durchaus  variabel und kann diffus oder nur segmental sein, weshalb die Histologie  nur  bedingt  zur  Abgrenzung  von  immun- mediierten Formen der FSGS hilft [1, 28].

Neben  dem  kongenitalen  nephrotischen  Syndrom ist   eine   genetische  Diagnostik   bei   entsprechender Familienanamnese  sowie bei  FSGS  mit  syndromalen Charakteristika  (s.  oben)  etabliert.  Auch  im  Kontext einer Lebendnierenspende bei PatientInnen mit FSGS ist  ihr  Stellenwert  mittlerweile  anerkannt.  Allerdings schließt eine unauffällige Familienanamnese eine erbliche  Ursache  einer  FSGS  keineswegs  aus  (s.  oben). Parallel  zu  den  methodischen  Fortschritten  in  der Molekulargenetik und den sinkenden Kosten zeichnet sich daher ein liberalerer Zugang zur genetischen Testung  ab,  insbesondere  bei  steroidresistenten  Verläufen bzw. ausbleibendem Ansprechen auf eine andere immunsuppressive  Therapie  [29].  Bei  Zunahme  der Genanalysen wird sich zwangsläufig eine Häufung unklarer Befunde (Varianten unklarer Signifikanz,  VUS) ergeben. Im Einzelfall kann daher eine Zuordnung, ob es sich tatsächlich um eine klinisch relevante Variante handelt, schwierig sein.

Für  die  genetische  Diagnostik  werden  inzwischen massiv-parallele  Sequenzierverfahren  verwendet,  bei der  meist  alle  proteinkodierenden  Gene  des  Erbguts (Exom)  potenziell  erfasst  werden.  Die  Auswertung erfolgt   typischerweise   über   virtuelle   diagnostische Panels, bei der nur die potenziell relevanten Gene be- trachtet werden. Je nach Analysestrategie, gewünschtem  Aufwand  und  Vollständigkeit  unterscheidet  sich die  Anzahl  der  untersuchten  Gene.  Verfügbare  Pa- nels beinhalten durchwegs die Gene NPHS1, NPHS2, WT1,  PLCE1  (die   am   häufigsten   betroffenen  Gene beim   kongenitalen   nephrotischen  Syndrom)   sowie die  „Alport-Gene“  COL4A3,  COL4A4  (beide  autosomal)   sowie   COL4A5   (X-chromosomal).   War   früher ein  stufenweises  Vorgehen  die  Regel  (beispielsweise zuerst  eine  Untersuchung  einiger  weniger  Gene  wie NPHS2, ACTN4, TRPC6 und  INF2),  ermöglichen  mo- derne  Verfahren  eine  gleichzeitige  und  daher  rasche Analyse  gut  charakterisierter  „FSGS-Gene“  [27,  30]. Bei  dringendem  Verdacht  auf  eine  genetische  Ursache  bei  gut  charakterisierten  PatientInnen  kann  die Analytik auch beliebig auf viele oder „alle“ Gene aus- gedehnt  werden,  wobei  die  Interpretation  der  dann unweigerlich  gefundenen  Varianten  unklarer  Signifikanz eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit und Fallbesprechungen voraussetzt.

Eine  genetische  Diagnose  hat  wichtige  praktische Konsequenzen. Sie  beendet  diagnostische  Odysseen, erlaubt das Absetzen einer immunsuppressiven Therapie  bzw.  verhindert,  dass  eine  solche  überhaupt begonnen wird, kann eine bessere Prognoseeinschätzung ermöglichen und führt zur gezielten Suche nach assoziierten extrarenalen Manifestationen. Auch beim Angehörigenscreening  ist  eine  molekulargenetische Untersuchung  wichtig,  vor  allem  im  Kontext  einer Lebendspende. Schließlich existiert in seltenen Fällen eine spezifische Therapie (Glomerulopathien mit Störungen der Coenzym-Q10 Biosynthese, vor allem bei Kindern und Jugendlichen) [31].

Indikationen  für  eine  molekulargenetische  Abklärung (modifiziert nach [27, 28])

  • FSGS im Erwachsenenalter mit positiver Familienanamnese
  • V. a. primäre FSGS resistent auf Immunsuppression
  • Sekundäre FSGS ohne offensichtliche Ursache

 

Transplantation

Die primäre FSGS weist nach einer Nierentransplantation eines der höchsten Rezidivrisiken aller Glomerulopathien auf. Etwa ein Drittel der PatientInnen er- leidet eine Rekurrenz im Transplantat [32].

Ein Rezidiv kann früh (binnen Stunden oder weniger Tage) auftreten, aber auch erst nach Monaten und mitunter Jahren, wobei mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur Transplantation die Unterscheidung primäre  FSGS  versus sekundäre FSGS  schwieriger wird. Histologisch  zeigt  sich  bei  frühen  Formen  eine  Podozytopathie mit typischerweise diffuser Fußfortsatzabflachung bei oft (noch) normalem lichtmikroskopischen Befund.

Der  wichtigste  Risikofaktor  für  eine  Post-Transplant-Rekurrenz  ist  eine  bereits  stattgehabte  Rekurrenz in einem vorherigen Nierentransplantat.  In diesem  Fall  beträgt  das  Risiko  einer  neuerlichen  Rekurrenz  80 %  bei  der  folgenden  Nierentransplantation  [33].  Als  weitere  prädisponierende  Faktoren  sind junges Alter bei Erstmanifestation und rasch-progredienter Verlauf anerkannt. Umgekehrt erlauben diese klinischen Faktoren im Einzelfall keine ausreichende Risikoeinschätzung und haben daher auch keine therapeutische Konsequenz im Sinne einer präemptiven Therapie [34].

Eine  FSGS-Rekurrenz  geht,  verglichen  mit  transplantierten  FSGS-PatientInnen  ohne  Rekurrenz,  mit einem etwa fünffach erhöhten Risiko für einen Transplantatverlust  einer  [32].  Die  Prognose  wird  im  Wesentlichen  durch  das  Therapieansprechen  determiniert,  für  welches  es  wiederum  keine  eindeutigen Empfehlungen  gibt.  Die  Behandlungsoptionen  umfassen  den  Einsatz  von  RTX  sowie  Apherese-Verfahren, die  Datenlage zu neueren B-Zell-depletierenden Substanzen  ist  limitiert  und  uneinheitlich  [35,  36]. In Einzelfällen benötigen PatientInnen chronisch extrakorporale   Therapieverfahren   [32].   Grundsätzlich sollten  diese  PatientInnen  an  einem  Zentrum  mit entsprechender Expertise behandelt werden.

erschienen in Wien Klin Wochenschr 135 (Suppl 5), 638–647 (2023). https://doi.org/10.1007/s00508-023-02260-x

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