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Januar 2024

Empfehlung für einen Diagnose- und Behandlungspfad für CKD-assoziierten Pruritus (CKD-aP)

Autor:innen

  • Marcus D. Säemann
  • Marlies Antlanger
  • Sabine Horn
  • Alexander Kirsch
  • Gert Mayer
  • Bruno Watschinger
  • Gunar Stemer
  • Felicia Füri

1. Abkürzungen

2. Ziel

Dieses Dokument soll den Therapiestandard zu Diagnose, Behandlung und Monitoring für Patient:innen mit CKD-assoziiertem Pruritus (CKD-aP) darstellen.

3. CKD-assoziierter Pruritus – Klinischer Behandlungspfad

3.1. Epidemiologie

Gemäß Daten aus der Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS) fühlen sich 37% der Hämodialyse-Patient:innen mäßig (18%), stark (12%) oder extrem stark (7%) durch den Pruritus beeinträchtigt.1 Gemäß einer rezenten, nationalen Kohortenstudie, bei welcher die validierte Worst Itching Intensity Numerical Rating Scale (WI-NRS) zum Einsatz kam, gaben 13.9% der österreichischen Patient:innen an, von moderatem Pruritus betroffen zu sein, während 4.2% angaben, unter schwerem Pruritus zu leiden.2

3.2. Klinisches Bild und Krankheitslast

Patienten mit CKD-aP leiden unter einem Juckreiz, der häufig mehrmals täglich auftritt oder gar fortlaufend besteht.3,4 Die Lokalisation, Dauer, Schwere und Wahrnehmung des Juckreizes sind individuell unterschiedlich. CKD-aP ist häufig bilateral symmetrisch und kann lokalisiert, aber auch generalisiert auftreten. Bei Patient:innen mit CKD-aP können sichtbare, sekundäre Hautläsionen auftreten, die von Kratzspuren, über Prurigo nodularis, bis zu Vernarbungen reichen können.5-7 CKD-aP tritt häufig zusammen mit anderen körperlichen und psycho-emotionalen Symptomen auf, einschließlich schlechter Schlafqualität, Depressionen, Müdigkeit und Schmerzen.8 Gemäß Daten von DOPPS zeigte sich bei Patient:innen, die sich extrem stark durch Pruritus beeinträchtigt fühlen, eine 1.2-fach höhere ursachen-unabhängige Sterblichkeitsrate, beziehungsweise eine 1.4-fach höhere infektionsbedingte Sterblichkeitsrate.1

3.3. Screening

3.3.1. Durchführung

• Das Basis-Screening auf CKD-aP obliegt den Dialysepflegepersonen und sollte in der ersten Hälfte der Dialysesitzung erfolgen.

• Zum Routine-Screening sollte der WI-NRS (siehe 3.4.1. und Kapitel 5.1.) zum Einsatz kommen.

• Wenn der/die Patient:in einen Juckreiz bestätigt (WI-NRS ≥1), sollte ein:e Ärzt:in hinzugezogen werden, um die Diagnose zu bestätigen oder gegebenenfalls eine Differentialdiagnose zu stellen.

3.3.2. Frequenz

• Das Screening sollte alle 3 Monate (quartalsweise) wiederholt werden.

• Auch der Therapieerfolg einer bestehenden antipruritischen Therapie sollte alle 3 Monate evaluiert werden.

3.4. Diagnose

3.4.1. Erhebung der Pruritus-Intensität und Lebensqualität: WI-NRS und SADS

• Der WI-NRS9-11 bestimmt die Intensität des Juckreizes auf einer Skala von 0 (kein Juckreiz) bis 10 (schlimmster vorstellbarer Juckreiz) innerhalb der letzten 24 Stunden. Die Vorlage befindet sich im Kapitel 5.1. Die Unterteilung erfolgt in den Schweregrad mild (WI-NRS Score 1-3), moderat (WI-NRS Score 4-6) und schwer (WI-NRS Score 7-10)

• Der SADS-Fragebogen11 zur Ermittlung der juckreizbezogenen Lebensqualität ist optional. Der SADS ermittelt den Schweregrad des CKD-aP auf einer Skala von A (Lebensqualität kaum beeinträchtigt) bis C (Lebensqualität stark beeinträchtigt). Die Vorlage befindet sich unter Kapitel 5.2.

• Die Dokumentation erfolgt nach Möglichkeit digital im jeweiligen Krankenhausinformationssystem.

3.4.2. Differentialdiagnose

• Wenn die Diagnose durch den/die Nephrolog:in nicht eindeutig möglich ist, können ein:e Dermatolog:in, sowie weitere Disziplinen im Sinne der Abklärung von Differentialdiagnosen (dermatologisch, systemisch, neuropathisch, psychogen) hinzugezogen werden – siehe Tabelle unter 5.4.

3.5. Behandlung

3.5.1. Universalmaßnahmen bei mildem, moderatem und schwerem CKD-aP

Die initiale Universaltherapie setzt sich aus dermatologisch-topischer Basistherapie, der Optimierung der Dialysequalität, sowie der PTH-, Kalzium- und Phosphatkontrolle zusammen (CKD-MBD Spektrum).

• Eine Paraffin- oder Glycerol-haltige,12 rückfettende und hydratisierende Basis-Hautpflege mit Cremes, Salben oder Hautölen sollte gemäß Standardtherapieoptionen erfolgen und die Patientenpräferenz berücksichtigen.

• Bei lokalisierten Formen des Pruritus können zur Symptomlinderung zusätzlich zur Basis-Hautpflege topische Präparate mit den Wirkstoffen Capsaicin 0,03% oder Pimecrolimus 1% eingesetzt werden.13

• Die Dialyseeffizienz und die Kontrolle von PTH, Kalzium und Phosphat sollte grundsätzlich im Sinne der höchstmöglichen Dialysequalität erfolgen, wenngleich keine Assoziation zwischen dem Schweregrad des CKD-aP und den CKD-MBD Parametern (PTH, Kalzium, Phosphat) gesichert ist.14

3.5.2. Milder CKD-aP

• Die Therapie des milden CKD-aP besteht ausschließlich aus den erwähnten Universalmaßnahmen (siehe 3.5.1.).

3.5.3. Moderater und schwerer CKD-aP

• Universalmaßnahmen wie oben beschrieben (siehe 4.5.1.).

• Spezifische Therapie:

  1. DifelikefalinDifelikefalin ist zur Behandlung von moderatem bis schwerem Pruritus im Zusammenhang mit einer chronischen Nierenerkrankung bei erwachsenen Hämodialysepatient:innen indiziert. Die Dosierung erfolgt gemäß Fachinformation:15 0,5 μg/kg Trockengewicht (Injektionsvolumina siehe Kapitel 5.3.), 3-mal wöchentlich am Ende der HD-Behandlung beim Rückspülen oder nach dem Rückspülen als i.v. Bolusinjektion in den venösen Zugang des extrakorporalen Kreislaufs.
  2. Gabapentinoide (off-label)Gabapentin in niedriger Startdosis (100 mg 3x/Woche post-HD)Pregabalin in niedriger Startdosis (25 mg 2x/Woche post-HD)Weitere mögliche Therapie: Eine Behandlung mit UV-B kann im Einzelfall als Add-on zusätzlich verabreicht werden.

3.6. Evaluierung des klinischen Ansprechens auf Difelikefalin

3.6.1. Zeitpunkt der Evaluierung des Ansprechens

• Um eine maximale Ansprechrate zu gewährleisten, sollte der/die Patient:in mindestens 12 Wochen mit Difelikefalin behandelt werden.

• 12 Wochen nach Therapiebeginn mit Difelikefalin sollte der Therapieerfolg mithilfe des WI-NRS kontrolliert werden.

3.6.2. Monitoring der Behandlung

• Mittels WI-NRS sollte der fortlaufende Behandlungserfolg alle 3 Monate im Rahmen des quartalsmäßigen Screenings überprüft werden.

3.6.3. Behandlungsdauer

• Bei Ansprechen auf die Universalmaßnahmen sowie die Therapie mit Difelikefalin sollte die Therapiedauer gemäß aktueller Studienlage 12 Monate betragen.16

• Darüber hinaus können derzeit keine Empfehlungen abgegeben werden.

3.6.4. Vorgehen bei Nicht-Ansprechen auf Difelikefalin

• Bei Nicht-Ansprechen auf Difelikefalin nach 12 Wochen ist ein Wechsel auf die Alternativtherapie empfohlen.

4. Flussdiagramm

5. Vorlagen

5.1 WI-NRS Vorlagen

5.2 SADS Vorlagen

5.3 Difelikefalin Dosierung

Difelikefalin wird 3-mal wöchentlich am Ende der HD-Behandlung beim Rückspülen oder nach dem Rückspülen als i.v. Bolusinjektion in den venösen Zugang des extrakorporalen Kreislaufs verabreicht.15 Die empfohlene Dosis Difelikefalin beträgt 0,5 Mikrogramm/kg Trockengewicht. Das erforderliche Gesamtdosisvolumen (ml) aus der Durchstechflasche ist folgendermaßen zu berechnen: 0,01 x Trockengewicht (kg), auf das nächste Zehntel zu runden (0,1 ml). Bei Patienten mit einem Trockengewicht von 195 kg oder mehr beträgt die empfohlene Dosis 100 Mikrogramm (2 ml). Die Injektionsvolumina der Lösung mit einer Konzentration von 50 Mikrogramm Difelikefalin pro Milliliter sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt:

5.4 Differentialdiagnosen des chronischen Pruritus

(nach Ständer S, et al. sowie Buchwinkler L und Mayr G)17,18

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Referenzen/Literatur

1. Sukul N, et al. Kidney Medicine. 2021;3(1): 42-53.e41.

2. Engler et al. Nephrol Dial Transplant. 2023 Jul 10:gfad152.

3. Narita I, et al. Kidney International. 2006;69(9): 1626-1632.

4. World Health Organization. ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics (Version: 01/2023): EC90 Pruritus. https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http%3a%2f%2fid.who.int%2ficd%2fentity%2f1729106757 Publiziert 2023. Aufgerufen am 15. Mai 2023.

5. Shirazian S, et al. Int J Nephrol Renovasc Dis. 2017;10: 11-26.

6. Mathur VS, et al. Clinical Journal of the American Society of Nephrology : CJASN. 2010;5(8): 1410-1419.

7. Mettang T, et al. Kidney Int. 2015;87(4): 685-691.

8. Agarwal R, et al. Clinical Kidney Journal. 2022;16(1): 30-40.

9. Storck M, et al. Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology : JEADV. 2021;35(5): 1176-1185.

10. Phan NQ, et al. Acta dermato-venereologica. 2012;92(5): 502-507.

11. Verweyen E, et al. Acta dermato-venereologica. 2019;99(7): 657-663.

12. Balaskas E, et al. Clinical Journal of the American Society of Nephrology : CJASN. 2011;6(4): 748-752.

13. Hercz D, et al. Cochrane Database Syst Rev. 2020;12(12): Cd011393.

14. Rayner HC, et al. Clinical Journal of the American Society of Nephrology : CJASN. 2017;12(12): 2000-2007.

15. European Medicines Agency. Kapruvia: Fachinformation. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/kapruvia-epar-product-information_de.pdf  Publiziert 2022. Aufgerufen am 17. Mai 2023.

16. Topf J, et al. Kidney Med. 2022;4(8): 100512.

17. Ständer S, et al. Acta dermato-venereologica. 2007;87(4): 291-294.

18. Buchwinkler L, et al. Nephro-NEWS. 2023;2.

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